07 - Wann raten wir von Coaching ab?
Mit Coaching kann man nicht alles erreichen und es ist nicht für jeden und jede Situation eine sinnvolle Maßnahme. Zum einen gibt es Klientinnen und Klienten, die psychische Störungen mitbringen, die im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden müssen. Insbesondere bei Angststörungen oder Panikattacken muss man davon ausgehen, dass die Selbststeuerungsfähigkeit der Person nicht gegeben bzw. nur sehr eingeschränkt vorhanden ist. Doch gerade die Selbststeuerung ist prinzipiell eine Grundlage dafür, dass Menschen sich selbst helfen können – und die Fähigkeit, sich selbst helfen zu können („Hilfe zur Selbsthilfe“), ist eine Grundlage von Coaching: Selbststeuerungsfähigkeit ist damit eine Bedingung für einen Coaching-Prozess.
Ein anderer Aspekt, der Überlegung, wann oder ob ein Coaching abgebrochen werden sollte, betrifft die Frage nach der Eigenmotivation bzw. Eigeninitiative. Nicht selten werden Personen ins Coaching „geschickt“. Fehlt ihnen dann noch der Eigenbezug zum Coaching – weil nur andere es wollen bzw. es von ihr erwarten –, dann geben diese Personen oft nur vor, sie würden sich coachen lassen und das Coaching hätte einen Effekt. In diesem Fall ist Coaching Zeitverschwendung. Erkennt der Klient allerdings Nutzen für sich, sieht Anliegen und Themen, die er gerne bearbeiten würde, so erkennt er seinen Eigennutzen und kommt aus eigenem Antrieb ins Coaching. Dieser „Sinneswandel“ ist erfahrungsgemäß keinesfalls selten, sondern eher die Regel.
Um herauszufinden, wie es um die Eigenmotivation der Klientin oder des Klienten steht (und ob jedwede andere Gründe wie z.B. psychische Störungen gegen einen Coaching-Prozess sprechen), ist ein klärendes Erstgespräch unerlässlich. Wenn dann klar ist, dass ein Coaching-Prozess eher nicht begonnen werden sollte, gehört es zur professionellen Haltung eines Coachs, auch „Nein“ zu sagen, statt zu hoffen, dass sich im Laufe des Coachings etwas ändern würde.
Stellt sich im Laufe des Coachings heraus, dass die Person an einer psychischen Störung leidet und deren Selbststeuerungsfähigkeit beeinträchtigt ist, dann gilt es, Alternativen aufzuzeigen und eine „Brückenfunktion“ einzunehmen: Das Coaching nicht sofort abbrechen und die Klientin bzw. den Klienten verabschieden, sondern eine Hilfestellung anbieten und beispielsweise die Person zu unterstützen, sie über Therapieformen und -möglichkeiten aufzuklären und sogar einen Therapeuten einzuschalten (im optimalen Fall ist man Teil eines therapeutischen Netzwerks – was letztlich auch als Merkmal der eigenen Professionalität zu verstehen ist). Denn die Person hat sich Hilfe im Coaching erhofft, man sollte sie daher nicht noch hilfloser zurücklassen als vorher. Hier muss man sich als Coach seiner Verantwortung gegenüber seinen Klienten sehr bewusst sein.
Ob der Klient allerdings die aufgezeigte Unterstützung annimmt, ist eine ganz andere Frage. Noch heute ist die Inanspruchnahme von psychologischer Hilfe ein Tabu, etwas Stigmatisiertes – insbesondere im Führungskräfte- und Business-Kontext. Dabei sind beispielsweise Angststörungen die mit am weitesten verbreitete psychologische Störung: Und sie kann alle treffen, unabhängig von Alter, Beruf, sozialer Schicht oder Bildungsgrad. Hier gilt es, einen schamfreien Umgang mit der Erkrankung zu ermöglichen (und man kann dies auch im Coaching so thematisieren). Schließlich schämt man sich auch nicht, wenn man eine „normale“ Krankheit wie Grippe hat. Wenn ich mir ein Bein breche, dann gehe ich schließlich auch zum Arzt und nicht einfach nach Hause, um es auszusitzen.
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